Im April 2017 fand in der Hauptstadt von Bangladesch, Dhaka, die 136. Session der Interparlamentarischen Union (IPU) statt. Bei der Plenarsitzung der Versammlung verabschiedete die Interparlamentarische Union eine von Russland initiierte Resolution über die Rolle der Parlamente bei der Einhaltung des Prinzips der Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten der Staaten.
Die Resolution wurde von der überwiegenden Mehrheit der Delegationen unterstützt, trotz des zu erwarteten Widerstandes der Vertreter einiger westlicher Länder.
Ein weiterer wichtiger Beschluss – die Unterstützung der russischen Initiative zur Schaffung einer Arbeitsgruppe des Exekutivkomitees der IPU zu Syrien. Die Gruppe wird die Möglichkeit bekommen, an den Ort zu kommen, darunter Syrien. Dazu werden sowohl die Vertreter des Exekutivkomitees (neben Russland äußerten bereits Frankreich, Niederlande, der Iran und Namibia ihren Wunsch), als auch aller sechs geopolitischer Gruppen der zwischenparlamentarischen Union gehören.
In Bangladesch fand die Übergabe der Staffel an Sankt Petersburg statt. Die Versammlung findet vom 14. bis zum 18. Oktober statt. Bis zum heutigen Tag planen 91 Parlamentspräsidenten, an der Versammlung teilzunehmen, die bisher höchste Teilnehmerzahl war 51. Auch die Anzahl der teilnehmenden nationalen Delegationen (152) liegt deutlich über der bisherigen Bestmarke (147).
In Sankt Petersburg soll unter anderem eine weitere Resolution verabschiedet werden, die von der Russischen Föderation initiiert wurde, die dem 20. Jahrestag der Allgemeinen Erklärung für Demokratie gewidmet sein wird. In der Resolution wird das Fehlen des universellen Modells der Demokratie widerspiegelt, dass die Demokratie nicht ein ausschließliches Privileg eines Landes bzw. Region ist.
Die Entscheidung, die nächste Versammlung der IPU auf russischem Boden abzuhalten, war von Anfang an bitter umstritten. Die Ukraine und einige andere nationale Delegationen opponierten heftig gegen diese Wahl. St. Petersburg bekam dennoch 138 von 159 Stimmen.
Die Interparlamentarische Union hat zwei Weltkriege überdauert. Gegründet wurde sie 1889 vom französischen Ökonom, Schriftsteller und Pazifisten Frédéric Passy und seinem britischen Kollegen William Randal Cremer. Beide erhielten für ihr Wirken später den Friedensnobelpreis.
Das ist die älteste und eine der maßgeblichsten internationalen parlamentarischen Organisationen auf der Welt. Mitglieder der IPU sind nicht einzelne Parlamentarier, sondern immer ganze Parlamente; ob die Abgeordneten demokratisch gewählt werden, spielt keine Rolle. Im Gegenzug ist etwa der US-Kongress vor einiger Zeit aus der IPU ausgetreten – offenbar aus Frustration über die anhaltende Kritik an der amerikanischen Aussenpolitik, schreibt “Neue Zürcher Zeitung”. Übrigens ist das Problem eines Demokratie-Defizits in der US-Außenpolitik keine Überraschung.
Im Zuge der Diskussion um eine Reform der Vereinten Nationen wurde vorgeschlagen, die Interparlamentarische Union als „parlamentarischen Arm“ in die Vereinten Nationen zu integrieren. Viele sehen in der IPU die Keimzelle des künftigen Weltparlamentes. Ein Weltparlament ist natürlich kein Allheilmittel. Es ist aber das Instrument, das es erlaubt, alle Mitglieder der Weltgemeinschaft – und das sind alle Menschen – in Entscheidungen von globaler Tragweite einzubeziehen, schreiben Jo Leinen, Mitglied des EU-Parlaments, und Andreas Bummel, Aktivist und Gründer der NGO „Democracy Without Borders“. Das demokratische Weltparlament – ist das möglich? Diese Idee ist sehr strittig. Der Präsident des kuwaitischen Parlaments, Marsuk al-Ghanim, erklärte, sein Land wolle bei den Bemühungen um einen Ausschluss Israels aus der IPU vorangehen. Das Land versuchte dies auch im April 2016, scheiterte damit jedoch.
Die Perspektiven der Beziehungen zwischen Russland und der EU stehen auch im Mittelpunkt der Diskussion der Tagung der Interparlamentarischen Union in Sankt Petersburg. Russland ist der drittwichtigste Handelspartner der Europäischen Union. Der Hauptbereich der Zusammenarbeit ist die Energiewirtschaft, aber die Partnerschaft erweitert sich auch im Dienstleistungsbereich.
Die Vertreterin Lettlands rief auf der Tagung des EU-Parlaments auf, mit Russland mit „einer neuen, härteren“ Stimme zu sprechen. Hier stellt sich aber die Frage: Was muß in dieser Stimme neu sein? Ist es sinnvoll die bereits bestehenden Stützen, zum Beispiel die energetische Zusammenarbeit, zu zerstören?
Der ehemalige Exekutivdirektor der Internationalen Energetischen Agentur (IEA) Nobuo Tanaka ist überzeugt, dass man nicht bedauern soll, dass rund 30 Prozent des Erdöls und des Erdgases, die in der EU verbraucht werden, aus Russland kommen. Russland hängt ja von Europa noch mehr ab – dorthin werden 70 Prozent der russischen Exportwaren geliefert. In dieser Hinsicht ist übrigens das Beispiel der russisch-deutschen Zusammenarbeit kennzeichnend. Im Rahmen des „Tages der Industrie Russlands“ wurde betont, dass Russland Ressourcen und Deutschland Know how hat. Heute arbeiten in Russland über 4600 deutsche Firmen – fast doppelt so viel wie 2003. Viele davon beabsichtigen ihr Business zu erweitern.
Der Bundestag entsendet in Sankt Petersburg fünf Abgeordnete, die von den Fraktionen benannt werden. “Die eigentliche Bedeutung der IPU liegt weniger in ihren Resolutionen, sondern in ihrer Funktion als Kontaktbörse und als Netzwerk von Parlamentariern”, sagte Bundestagspräsident Norbert Lammert, Leiter der deutschen Delegation in der IPU. Darüber hinaus ist die IPU eines der wenigen Gremien, in denen regelmäßig Dialoge zwischen Nord und Süd, West und Ost stattfinden. Vor allem die Entwicklungsländer profitieren davon und schenken der IPU deshalb besondere Beachtung.