Israel muss für seine Menschenrechtsverletzungen zur Verantwortung gezogen werden
Original: I’m Jewish, and I want people to boycott Israel
Übersetzungen: Español Français
Übersetzt von Milena Rampoldi ميلينا رامبولدي میلنا رامپلدی Милена Рампольди
Herausgegeben von Fausto Giudice Фаусто Джудиче فاوستو جيوديشي
2009 lebte ich während der Operation Gegossenes Blei in Tel Aviv. Während jenes Angriffs tötete Israel ungefähr 1.400 Palästinenser in Gaza. Wenn wir in kleinen Gruppen auf die Straßen gingen, um gegen den Krieg zu demonstrieren, wurden wir oft von Passanten mit Eiern beworfen oder angegriffen. Als ich meine Kinder von deren Vorschule abholte, unterhielten sich die Eltern, als würde gar nichts Ungewöhnliches im Gange sein. Als sie mich fragten, was schief ginge, antwortete ich ihnen, ich sei von den Ereignissen in einer Entfernung von nur 40 Meilen von uns zutiefst betrübt. Ihre Antwort: ein peinliches Schweigen oder eine wütende Verteidigung der israelischen Operationen.
Ich wollte konkret handeln, um den Palästinensern zur Freiheit und zu den vollständigen Rechten zu verhelfen. Daher schloss ich mich der BDS-Bewegung (Boykott, Desinvestitionen und Sanktionen) an. Der gewaltfreie Versuch, der 2005 von einer breiten Koalition von Organisationen aus der palästinensischen Zivilgesellschaft ins Leben gerufen wurde, ist ein Aufruf an die Solidarität von Seiten der internationalen Gemeinschaft, damit Israel das Völkerrecht einhält und damit aufhört, gegen die Rechte der Palästinenser zu verstoßen. Es ist ein steiler Weg, denn der Gouverneur meines eigenen Staates, des Staates New York, hat die BDS-Bewegung vor kurzem durch einen einseitigen Erlass verurteilt.
Sieben Jahre später gab es inzwischen zwei weitere grausame Angriffe gegen Gaza. 2014 wurden ungefähr 500 palästinensische Kinder getötet. Und auch wenn es im Moment keine intensiven Bombenangriffe mehr gibt, besteht die Gazablockade immer noch. Die Bewohner des Westjordanlandes sind durch die israelische Kontrollmatrix in der Region schwer eingeschränkt, beispielsweise durch Strassensperren, Verwaltungshaft und den Abriss von Häusern. Innerhalb Israels, leben die Palästinenser mit israelischer Staatsbürgerschaft in einem System ungerechter Gesetze und ungleicher Rechte. Die Flüchtlinge außerhalb Israels haben kein Rückkehrrecht in ihre Heimat.
Natürlich gab es in dieser Zeit auch Angriffe gegen israelische Zivilisten. Diese sind ein abscheuliches Symptom der fortlaufenden Besatzung und Unterdrückung, wie der Bürgermeister von Tel Aviv Ron Huldai nach einem vor kurzem in Tel Aviv ausgeübten Angriff, der vier jüdischen Israelis das Leben kostete, hervorhob.
Ich bin der Ansicht, dass Israel erst seine Politik ändern wird, wenn der externe Druck nicht mehr ignoriert werden kann. Die BDS-Bewegung ist ein sehr nützliches Instrument, um den Staat zum Handeln aufzufordern. Und während meiner Zeit in der Bewegung waren wir immer erfolgreicher. Große Kirchen haben Investments aus den Gesellschaften zurückgezogen, die von der Besatzung profitieren. Dutzende US-Universitäten haben Desinvestitionsbeschlüsse erlassen. Mehr als 100 Künstler weigern sich, in Israel aufzutreten und internationale Konzerne wie G4S und Veolia haben sich aus dem israelischen Markt zurückgezogen.
Seitdem hat es auch eine Verlagerung in der öffentlichen Meinung gegeben. Einer Umfrage des Brookings Institute von 2015 zufolge unterstützen 49 Prozent der Demokraten die Verhängung von Wirtschaftssanktionen gegen Israel wegen des Siedlungsbaus. Eine Pew-Umfrage, die vor einem Monat veröffentlicht wurde, gelangte zum ersten Mal zum Ergebnis, dass liberale Demokraten mehr Empathie für Palästinenser als für Israelis aufweisen. Im Mai gelangte das Rechercheunternehmen Ipsos zur Schlussfolgerung, dass ein Drittel der US-Amerikaner den Boykott, die Desinvestitionen und Sanktionen gegen Israel akzeptieren, solange Israel die Rechte der Palästinenser nicht respektiert.
Aber unsere Bemühungen wurden hier in den USA durch eine landesweit seitens der israelischen Regierung und ihren Befürworterorganisationen koordinierte und gut finanzierte Strategie vereitelt. Nur im letzten Jahr haben 22 Staaten Gesetze gegen die BDS-Bewegung eingeführt oder erlassen. Der Großteil dieser Maßnahmen erklärte es für gesetzeswidrig, Geschäfte mit Unternehmen zu machen, die die BDS-Bewegung unterstützen. Der Gouverneur von New York Andrew Cuomo (D) hat jene Strategie ausgeweitet, indem er eine drakonische Verfügung erlassen hat, die eine schwarze Liste der Unternehmen und Organisationen erstellete, die sich gegen eine Investition in Israel entscheiden oder für die BDS-Bewegung plädiert haben. Cuomos Erlass umging das Parlament des Bundesstaates, in dem der Widerstand von Seiten der Unterstützer der Rechte der Palästinenser und der Meinungsfreiheit, inklusive vieler Mitglieder von Jewish Voice for Peace, die Anti-BDS-Gesetzgebung im Gesetzausschuss erfolgreich blockiert hatte.
Und das ist unrichtig. Denn es ist nicht diskriminierend, einen Staat für seine Verstöße gegen das Völkerrecht und seine Menschenrechtsverletzungen verantwortlich zu machen. Der israelische Staat deckt sich nicht mit dem jüdischen Volk.
Meine Töchter, die ich 2009 in Tel Aviv aus der Vorschule abgeholt hatte, sind nun Mittelschülerinnen in Brooklyn. Falls sie als israelische Staatsbürgerinnen jemals die Entscheidung treffen sollten, in Israel/Palästina zu leben, so hoffe ich, dass dies ein Ort sein wird, in dem alle Menschen, Juden und Palästinenser, in Gleichheit und Freiheit leben können. Ich bin überzeugt, dass die BDS-Bewegung den besten Weg darstellt, um jene Vision in die Realität umzusetzen. Wir werden auf die Versuche, Gesetze gegen die BDS-Bewegung zu erlassen, als auf die letzten, verzweifelten Versuche zurückblicken, Israel vom absolut notwendigen Druck abzuschirmen, damit es seine Politik ändert. Cuomo steht auf der falschen Seite der Geschichte.
Quellen:
http://www.tlaxcala-int.org/article.asp?reference=18290
und
https://www.washingtonpost.com/posteverything/wp/2016/06/24/im-jewish-and-i-want-people-to-boycott-israel/
Rebecca Vilkomerson
Rebecca Vilkomerson ist Geschäftsführerin von Jewish Voice for Peace (Jüdische Stimme für den Frieden). Sie ist seit 2001 Mitglied von JVP. Von 2006 bis 2009 lebte sie mit ihrer Familie in Israel. 2010 ernannte sie die Zeitung Forward zu einer der 50 einflussreichsten jüdischen US-Führungskräfte. Sie wurde 2014 auch zu einer der „14 Women to watch“ ernannt.