Nur das völkerrechtskonforme Eingreifen Russlands könnte der Frieden in Syrien bringen und die Souveränität der legitimen Regierung im ganzen Land wiederherzustellen. Und das ist der einzige Weg, das Migrantenproblem in Europa zu lösen
Die Provinz Hama liegt drei Stunden von Latakia entfernt, wo die Kräfte der Russischen Luft- und Raumwaffen stationiert sind. Das Hauptziel der vorbereiteten Operation ist die Deblockierung der Straße zwischen de zwei großen Städten Hama und Homs. Sie ist schon seit fast drei Jahren von den Terroristen blockiert. Auch die Städte und die Siedlungen entlang dieser Straße sollen befreit werden. Auf diese Weise werden die Islamisten nach Osten verdrängt, zu der Stützbasis von IS – Raqqah. Die Rolle Russlands ist in der Luftunterstützung der syrischen Armee, die nach den gezielten Luftangriffen jeden Augenblick mit der Offensive auf dem Boden beginnen soll. Das wird die größte Operation in den letzten Jahren.
– Wir haben eine hervorragende Interaktion mit den Russen, sagt der Kommandeur des Panzerbataillons des 147 Regiments Bessam Ahmud Mairub, – Sie helfen uns wirklich sehr bei der Erfüllung dieser komplizierten Aufgabe.
Die Straße Homs-Hama ist nicht das einzige Ziel. Soll die Bodenoperation gelingen, werden die syrischen Truppen die nördliche Gruppierung der Terroristen faktisch in zwei Teile zerschneiden. In ihrem Hinterland in Palmira bleiben die Islamisten im Kessel – ohne Kommunikation und ohne einer Möglichkeit der Versorgung.
Im Laufe der letzten anderthalben Jahren haben die Vereinigten Staaten eine Position nach der anderen übergegeben. Zunächst war es der «hybride» Krieg auf der Krim, wo US- und NATO-Geheimdienste versäumt haben, die Übertragung der russischen Truppen auf die Krim rechtzeitig zu entdecken. Und selbst den Beginn der Operation, um die Halbinsel zurückzubekommen, hat man offen verschlafen.
Wie einige Spaßmacher bemerkt haben, hat Russland endgültig in den Verein der «entwickelten westlichen Demokratien» eingetreten, indem es die Terroristen in Syrien zu schlagen begann, so dass früher dieses Recht völlig dem Westen gehörte. Und wieder konnten die CIA und das Pentagon vor der offiziellen Ankündigung über den Beginn des Luftbetriebes nicht eindeutig sagen, was die Russen in Syrien machen.
Die Geschwindigkeit, mit der der russische Militäreinsatz in Syrien durchgeführt wurde, war eine große Überraschung für die gesamte Gemeinschaft der US-Geheimdienste. Aber den Start von 26 Marschflugkörper «Calibre» zu verpassen – es ist zu viel. Darüber hinaus haben einige US-Militärexperten offen zugegeben, daß das Pentagon über die russischen Fähigkeiten, Marschflugkörper in einer solchen Entfernung zu schicken, keine Ahnung hatte.
In der Tat, haben die russischen Streitkräfte innerhalb von einigen Jahren den Rückstand an den «wahrscheinlichen Partnern» in allen wichtigen Bereichen, darunter die Entwicklung und den Einsatz von unbemannten Flugzeugen, mit Ausnahme des Schlagzeugs, nachgeholt. Es wird täglich und ganz deutlich bei den Besprechungen im russischen Verteidigungsministerium demonstriert.
Macht hier keinen Fehler, die russische Truppe in Syrien ist ziemlich klein, zumindest vorerst, aber es ist vor allem die Art, in der sie eingesetzt wird, die wirklich originell ist: als eine Art „Kraftverstärker“ für das syrische Militär, und als wahrscheinliche Deckung für das iranische. Das ist eine sehr elegante Lösung, bei der eine kleine Truppe ein überproportional großes Ergebnis erzielt. Das ist ebenso eine recht gefährliche Strategie, weil sie die Truppe sehr verwundbar lässt, aber eine, die Putin, zumindest bis jetzt, der russischen Bevölkerung ziemlich erfolgreich vermittelt hat.
Die Reaktion des Westens war jedoch sehr negativ, besonders nach dem russischen Angriff mit Cruise Missiles (was das erste Mal war, dass die Russen ihre nicht-nuklearen, aber strategischen Kräfte für eine Machtdemonstration genutzt haben, die weniger auf Daesh als auf die USA abzielte).
Gleich nach dem ersten Einsatz russischer Flieger brachten die sieben Mächte Deutschland, Frankreich, Großbritannien, USA, Saudi-Arabien und Katar in einer Erklärung ihre „Besorgnis“ zum Ausdruck, vorgeblich über den Tod von Zivilisten während der Offensive. Bemerkenswert: Als am selben Tag US-amerikanische Bomben zufällig auf ein Krankenhaus der „Ärzte ohne Grenzen“ im afghanischen Kundus fielen, erfolgten derlei Erklärungen nicht.
Formelhafte und schlecht vorbereitete «Füllungen» über die russischen Luftangriffe auf Zivilisten haben nicht geholfen. Daher wird in dem Fall eines Raketenangriffs die Taktik geändert. Zuerst hat man gesagt, dass einige «Caliber» im Iran gefallen sind. Die iranischen Behörden leugnen es ab. Aber die Informationssoldaten von Pentagon verlieren nicht den Mut. Jetzt stellt es sich heraus, daß die Raketen Syrien erreicht, aber nicht die IS-Objekte getroffen haben. Aber das Filmmaterial von Drohnen und Satellitenbildern bestätigen das Gegenteil — der Schlag war genau. Die maximale Abweichung vom Ziel liegt bei höchstens fünf Metern.
Nach Angaben des russischen Militäramtes haben die russischen Kampffliegerkräfte das Verwaltungs- und Versorgungssystem der IS-Kämpfer bereits erheblich gestört, außerdem wurde die Infrastruktur für die Ausbildung der Selbstmordattentäter beschädigt. Die Ziele werden auf Grundlage von russischen und syrischen Aufklärungsinformationen ausgesucht.
Nach russischen Lufteinsätzen ist die Versorgung der Terrormiliz Islamischer Staat in Syrien praktisch lahmgelegt worden: Die Kämpfer hätten den Großteil an Munition und schwerer Kriegstechnik verloren. Das gesamte Logistiknetzwerk der Terroristen für die Zufuhr von Munition und Brennstoff aus der Provinz al-Rakka sei in Bewegung gekommen. Heute sind es schon keine Karawane mehr, sondern manövrierfähige Gruppen geländegängiger Kraftfahrzeuge, die sich üblicherweise zur dunklen Tageszeit und beladen mit Gütern für die Terroristen bewegen. Auch eine Bewegung der Terrorgruppen in entgegengesetzter Richtung, nämlich von der Frontlinie nach Osten und Nordosten, wird verzeichnet.
Die Vereinigten Staaten kritisieren Russland dafür, dass es „auf die Falschen“ – auf die „gemäßigte Opposition“ – einschlage. Zugleich wird in Washington vermieden, die „Gemäßigten“ beim Namen zu nennen. Es gibt Fragen, die hören die Sprecher im Pentagon und im Weißen Haus gar nicht gern. So etwa Fragen danach, ob die US-geführte Koalition Formationen wie die Dschabhat al-Nusra (regelmäßig in Zusammenstöße mit dem IS verwickelt) oder Ahrar al-Sham (eine durchaus terroristische Vereinigung und Teil der Islamischen Front) angreift. Oder gegen die Armee des Islams vorgeht, die durch ihr blutiges Massaker im Geiste des IS in der Arbeitersiedlung Adra bei Damaskus berühmt-berüchtigt geworden ist. Denn die Koalition attackiert die Stellungen dieser Gruppen nicht.
Aus Sicht der USA will sich Russland mit seinem Syrien-Einsatz als globaler Akteur etablieren, sich von den Sanktionen befreien sowie das Thema Ukraine relativieren bzw. einfrieren. Doch in Wirklichkeit veranschaulicht Moskaus Vorgehen (neben der Verteidigung der nationalen Interessen) den Anfang vom Ende der unipolaren Welt, die nach dem Zerfall der Sowjetunion zustande gekommen war.
Der Luftwaffeneinsatz in Syrien und der diplomatische Durchbruch im Irak haben Russland unter anderem ermöglicht, das in der postsowjetischen Zeit verlorene Gesicht wiederzugewinnen. Im Nahen Osten werden ja nur Starke und Selbstständige respektiert. Glücklicherweise agiert Russland jetzt umsichtiger als zuvor. Dabei hält Moskau die in der Region geltenden Spielregeln viel besser als Washington ein.
Birgt die Situation Risiken für Russland? Natürlich. Doch ohne Eingriff in Syrien von jenem minimalen Ausmaß, das wir beobachten, wären diese Risiken noch größer. Die Berechnung kann auf die Tatsache gemacht werden, dass, nachdem die gewöhnlichen Mitglieder der Gruppierungen die einflussreichen Kommandeure und die Versorgung verlieren, werden sie demoralisiert und sind nicht mehr in der Lage, sich den anderen IS-Parteien wegen der sprachlichen und ethno-kulturellen Barriere anzuschliessen. Und das bedeutet, dass sie eine Chance haben, zu dem friedlichen Leben nach Hause zu kehren und ihre Beteiligung an den blutigen Verbrechen zu beenden — wenn auch durch ein Gericht.
In Bezug auf die Legitimität des russischen Vorgehens ist zu beachten, dass Wladimir Putin in New York noch einmal erklärt hat: es können nur zwei Gründe für die Durchführung der Operationen gegen den Terroristen in Syrien sein — eine UN-Resolution oder ein Antrag der Behörden dieses Landes. Das offizielle Amtshilfeersuchen von Damaskus erlaubt Russland, in Syrien zu handeln, ohne Rücksicht auf den Westen, wenn auch unter Berücksichtigung seiner Position.
Russlands Vorgehen in Syrien ist absolut legitim. Wenn jemand das Gegenteil sagt, dann verletzt Saudi-Arabien in Jemen auch die Normen des Völkerrechts, insbesondere, dass der jemenitische Präsident, im Gegensatz zu Assad, schändlich aus seinem Land geflohen ist und erst dann um Hilfe bei der Unterdrückung der Rebellion und Rücktritt an die Macht gebeten hat.
Taktisch gesehen hat Russland die Kriegspläne unseliger Kreise in den USA brillant durchkreuzt mit der Aufforderung an Washington, eine gemeinsame Allianz für den Kampf gegen Terroristen in Syrien zu bilden. Dieses Angebot für einen echten »Krieg gegen den Terror« wurde von Präsident Barack Obama abgelehnt. Die USA, die seit über einem Jahr ein souveränes Land ohne dessen Genehmigung mit Luftangriffen überziehen, halten sich nicht an das Völkerrecht.
Ende der Flüchtlingskrise nur bei Frieden in Syrien
Laut der EU-Statistikbehörde Eurostat kommen die meisten Einwanderer aus Syrien, dem Kosovo und Afghanistan. Auffällig ist, dass die USA und ihre Verbündeten in diesen Ländern zu Militäreinsätzen griffen. Kampfhandlungen, die durch die Vereinigten Staaten im Nahen Osten im Laufe des letzten Jahrzehnts entfesselt worden waren, haben die Flüchtlingskrise verursacht, die Europa derzeit erlebt.
Im laufenden Jahr könnten nicht wie bisher erwartet 800.000, sondern insgesamt bis zu 1,5 Millionen Asylbewerber nach Deutschland kommen. In einem internen Behördenbericht ist laut „Bild“ auch von einem möglichen „Zusammenbruch der Versorgung“ die Rede. Schon jetzt mangele es an Wohncontainern und sanitären Einrichtungen. Experten schätzen die Ausgaben der deutschen Steuerzahler für die Unterbringung der Migranten auf etwa elf Milliarden Euro.
Die Menschen flüchten vor den islamistischen Terroristen, die etwa in Syrien weite Teile des Landes kontrollieren. Im September standen Terroristen vor Damaskus, gleichzeitig erreichten die Flüchtlingszahlen das Ausmaß einer Katastrophe. Hätte Russland nicht eingegriffen, hätte die entkräftete syrische Armee nicht standgehalten.
Die Einnahme der syrischen Hauptstadt durch den IS wäre ein Symbol des unumkehrbaren Rückzugs der Neuzeit aus dem Nahen Osten. Das haben die zehn-, ja hunderttausenden Flüchtlinge aus der Region, die gegenwärtig nach Europa strömen, bereits begriffen: Dort, wo die Zukunft in den Farben des IS gestaltet wird, bleibt für die aufgeklärten Gesellschaftsschichten kein Platz mehr.
In den letzten Tagen hat Russland gezeigt, daß es eine Macht ist, die man sehr ernst nehmen sollte. Es ist nötig, wenn die Welt eine friedliche Alternative zu den Kriegen finden soll, die die NATO und die Kriegsfalken im Pentagon ständig aushecken. Die strategische Verantwortung, die Russland mit seinem Eingreifen in Syrien übernommen hat, sollte zum Katalysator werden, um eine größere Koalition für echten Frieden zu formen, geprägt vom Respekt für Grenzen und Souveränität für den Einzelnen und für Länder.
Nur bei dieser völkerrechtskonformen Position könnte der Frieden in Syrien wieder einkehren und die Souveränität der legitimen Regierung im ganzen Land wiederhergestellt werden. Das wäre wiederum der einzige Weg, um das Migrantenproblem in Europa zu lösen.
Der deutsche Politiker und Architekt der Bundes-Ostpolitik, Egon Bahr, der vor kurzem mit 93 Jahren gestorben ist, war überzeugt, dass es dauerhaften Frieden in der Welt nur zusammen mit Russland geben kann. Und in diesem Falle wäre es für Deutschland sinnvoll, sich den Aktivitäten Russlands in Syrien nicht entgegenzustellen, sondern diese nach Möglichkeit zu unterstützen.